EIN KUNST-AM-BAU PROJEKT
EINFÜHRUNG
Wien/Dresden. Ein totes Haus wird wiederbelebt und öffnet nun seine Pforten. Die Story dazu ist schnell erzählt: Eine leerstehende Immobilie an einem prominenten, historisch belasteten Ort wird mithilfe von Kreativität – mithilfe von Kunst – revitalisiert. Damit beginnt ein großes Kunst-am-Bau Projekt zu leuchten, zu klingen, zu schwingen: Die »DNA« des Künstlers SHA. erstreckt sich über 150 Meter durch das ganze Lebendige Haus. Die bestehende Architektur entwickelt sich mit dem städtischen Raum weiter zu einem »Holistic Design«.
AUS DER VERGANGENHEIT
1963: Die 600 Jahre alte Sophienkirche wird als einzige noch erhaltene gotische Kirche Dresdens in einem Willkürakt der DDR-Regierung abgerissen und durch das größte gastronomische Projekt der DDR ersetzt – eine Großgaststätte, im Volksmund »Fresswürfel« genannt. Direkt vis-à-vis des weltberühmten Zwinger.
1998: Nach der Wende wird das als Schandfleck empfundene Gebäude abgetragen und durch einen Neubau ersetzt. Das sog. »Haus am Zwinger« wird nach internationalem Wettbewerb durch den österreichischen Architekten Heinz Tesar in modernem Stil errichtet. Einwände von der Bevölkerung betreffend der historischen Bedeutung dieses Ortes bleiben weitgehend unberücksichtigt. Die Immobilie entwickelt sich zaghaft, wird nur teilweise bezogen, wechselt mehrfach den Besitzer und steht schließlich leer. Ein trauriger Anblick an prominenter Stelle.
2016: Die auf Sanierungsobjekte spezialisierte, deutsche Bauträgergruppe Denkmalneu erwirbt die Immobilie und entwickelt auf der Grundlage des bestehenden Gebäudes gemeinsam mit dem Wiener Künstler SHA. ein neues Immobilienkonzept: »Das Lebendige Haus«. Gut 50 Jahre nach der DDR Willkür versucht dieses Haus heute in der Gegenwart, eine sensible Brücke zwischen der Vergangenheit und der Zukunft zu bauen.
IN DIE GEGENWART
Heute wird dieser Ort also nach einem langen Dornröschenschlaf wiederbelebt. Ein Märchen? Nein ... Wirklichkeit: Zentrales Element dieser neuen Wirklichkeit ist »Kreativität« – Zeichen für Leben. Kreativität ist in diesem Lebendigen Haus an vielen Stellen zu spüren: Kunst durchzieht das ganze Gebäude, Innen und Außen. Es ist eine Kunst, die speziell für dieses Haus entwickelt wurde. Der Künstler SHA. hat die Entstehung des Lebendigen Hauses eng begleitet und die DNA für dieses Gebäude geschaffen – als »energetisches Rückgrat«.
Lichter, Farben, Klänge und Schwingungen erzeugen die besondere Raum-Atmosphäre. Eine gläserne Doppelhelix schlingt sich über 150 Meter durch das ganze Gebäude. Der Weg führt von der bestehenden Architektur hin zu einer ganzheitlichen Gestaltung. Denn diese DNA schwingt in ihrer eigenen Zeitdimension: Die Möglichkeit zur »Entschleunigung« öffnet einen Verbindungskanal zwischen den Zeiten: Vom Geist der Sophienkirche hin zu einem neuen Raum der Besinnung inmitten unserer Hochleistungsgesellschaft.
Wie es der Künstler SHA. sagt: »Der immaterielle Wert, der im Menschen entsteht, ist der Wert dieser Kunst.«
DIE AUSGANGSLAGE
Der Auftrag: Revitalisierung einer Immobilie mit Kunst.
»Wellness for Buildings«
Das sog. »Haus am Zwinger« steht an prominenter Stelle direkt im Zentrum der Stadt Dresden, vis-à-vis vom berühmten Zwinger. Das Gebäude zeigt sich als funktionaler Zweckbau, der in den vergangenen 15 Jahren – praktisch seit seiner Errichtung – keiner erfolgreichen Nutzung zugeführt werden konnte.
Die auf Sanierungsobjekte spezialisierte, deutsche Bauträgergruppe DENKMALNEU hat das Gebäude erworben und führt die Gesamtanlage einer kreativen Mischnutzung zu. Dabei entsteht gemeinsam mit dem österreichischen Künstler SHA. ein neuartiges, ganzheitliches Gestaltungskonzept: »Das Lebendige Haus«.
DIE IDEE ZUM KUNSTWERK
»Das Lebendige Haus« impliziert, dass es auch ein »Totes Haus« gibt – oder gab. Somit geht es im Großen betrachtet um eine Wiederbelebung, eine Art Erweckung, ja, ein Erwachen. Es erschien uns günstig, einen solch existenziellen Schritt nicht nur wohlüberlegt strategisch nach Innen vorzubereiten, sondern ihn ganz explizit auch nach Außen zu zeigen – ihn in Erscheinung treten zu lassen. Also geht es um Erscheinung, um Beseelung … um »Inspiration«. In diesem Sinne versteht sich unser Vorschlag für ein neues Gesicht dieses Hauses:
Eine Erweiterung der Gebäudehülle, eine zweite Haut, die sich nach Innen stülpt. Wir sprechen von einer leichten, gleichsam immateriellen Hülle, eben eine Art »Aura« aus Licht und Klang, die für Lebendigkeit sorgt. Formal angelehnt an einer organischen Formensprache, die lebendig wirkt, eine geschwungene Welle anstelle strenger pragmatischer Geometrie. Leichtigkeit statt Schwere. Bunte Farbigkeit statt eintönigem Grau. Dynamik und Veränderung statt Starre und Statik. Ein neues Zeichen für Leben, für Veränderung, am Haus, am Ort, vor Ort in Dresden.
DIE PHILOSOPHISCHE INSPIRATION
Die Zeit ist eine Funktion des Raumes. Und der Raum ist eine erstaunliche Funktion der Zeit.
Diese Erkenntnis liefert den Impuls für die formale Entwicklung des Kunstwerks. Die Zeit liegt also geborgen im Raum, vor uns, in uns:
Dann nehmen wir doch einfach das was da ist, das Bestehende. Wir nehmen das Feste, das fest gebaute Raster dieser funktionellen Architektur und bringen es durch eine künstlerische Intervention in Bewegung. Wir »dynamisieren« dieses Haus. Wir »organ«isieren diese Gebäudestruktur neu und tun dies mit den Mitteln, die sich direkt aus der Architektur ableiten. Wir tun es mit den Mitteln einer digitalen Netzstruktur, die wir unmittelbar von den bestehenden physikalischen und architektonischen Bedingungen vor Ort ableiten.
Damit öffnet sich ein ZeitRaum – oder eben auch eine RaumZeit – die mitten im Dresdener Alltag eine zusätzliche Tiefe erzeugt: In dieser Tiefe leben dann auch die Zeit davor, wo das Haus still stand, und die Zeit danach, wo es dann schon belebt ist, gemeinsam weiter. Und ja, es wirkt auch jene Zeit weiter, wo genau an dieser Stelle 600 Jahre lang die einzige gotische Kirche Dresdens stand, die gegen den Willen der Bevölkerung in einem Willkürakt der DDR Regierung abgerissen wurde: die Sophienkirche. Wo der Schmerz, wo die Wunde in dieser Stadt heute noch spürbar ist, da ist Kunst das Licht.
Kunst als Lichthaut, als Lichtaura ist das kraftvolle Symbol für ein tiefes Verständnis von Lebendigkeit. Dieses Licht ist eine Verbindungsstelle, gleichsam das »Wurmloch«, das Dimensionen verbindet – zwischen dem toten Haus und dem Lebendigen Haus, zwischen Vergangenheit und Zukunft. Eine Raum-Zeit-Spiegelung mit historischer und gesellschaftlicher Dimension. Heilung.
DAS VISUELLE KONZEPT
Aus der seriellen Fassade der bestehenden Architektur leiten wir Schnittpunkte ab, ein ganzes Netz aus Schnittpunkten, mit denen wir nun zu spielen beginnen:
Am Anfang ist der Punkt. Der Lichtpunkt. Dann werden daraus mehrere Lichtpunkte, die bei entsprechender Betrachtung eine Linie ausformen. Zunächst eine Linie, dann mehrere Linien, die eine Fläche, eine Schale, ein dynamisches Band formen. Daraus entsteht das Möbiusband, die Möbiusschleife – eine wundersame zweidimensionale Struktur, die nur eine Kante und eine Fläche hat und in der wir in weiterer Folge nicht zwischen Innen und Aussen unterscheiden können.
Daraus wird dann die Welle, als Symbol für Lebendigkeit und Veränderung. Eine Welle, die sich gleichsam liebevoll um das – allzu streng und geometrisch organisierte – Gebäude herum windet, ja es liebevoll »berührt«. Dann wachsen aus der Welle verschiedene Wellenformen, die pulsierenden Sinuswellen – als Zeichen für den Pulsschlag des Lebens, schlechthin DER »Beweis für Leben«. Eine plastische, fast triviale Symbolik, die ein jeder aus unzähligen Filmmotiven kennt. Der Herzschlag.
Schließlich überlagern sich Wellenformen, Möbiusbänder und Lichtlinien in einer Helix, in einer Doppelhelix. Sie erinnert uns an die Lebensader des Menschen – die DNA.
DAS GRUNDMOTIV – DIE DNA
Die DNA ist ein Biomolekül und Träger der Erbinformation, also der Gene. Die Form der DNA – die Doppelhelix – hat unsere »DNA für Das Lebendige Haus« in ihrer Erscheinungsform inspiriert. Unsere DNA versteht sich als »immaterielle Architektur«, als energetisches Rückgrat für ein Gebäude, das zunächst auf ungünstigem, historisch belastetem Boden steht und das dann in seiner weiteren Entwicklung nicht Schwung aufnehmen konnte, sondern letzlich viele Jahre Leerstand erleben musste.
Dieses Projekt ist also im wahrsten Sinn des Wortes eine »Revitalisierung« – und dabei spielt die DNA eine entscheidende Rolle. In der Epigenetik erkennen wir im Gegensatz zur herkömmlichen Genetiklehre, dass es sehr wohl vom Individuum und seinen Umweltfaktoren abhängt, welche in der DNA angelegten Eigenschaften auch tatsächlich ausgeprägt und entwickelt werden – und welche gleichsam stillgelegt werden. Wir sind als Lebe-Wesen also nicht genetisch fixiert, ausgeliefert, determiniert.
Unsere Stammzellen bewahren sich eine gewisse Flexibilität ... So kann der Zellkern die in ihm liegende DNA tatsächlich beeinflussen. Diese junge wissenschaftliche Erkenntnis aus der Genetik verstehen wir als lebensbejahendes Grundmotiv für unser Lebendiges Haus.
DER KLANG ALS INFORMATIONSTRÄGER
Während die visuelle Struktur der DNA durch die Geometrie leuchtender Glasstäbe ganz klar, sauber und rein wirkt, entwickeln die gehörten Klänge dazu einen Kontrapunkt: Oft erklingt eine unscharfe, schmutzige, rauschende Klangästhetik im Raum – Klänge, die fremd sind, mystisch wirken, wie aus einer anderen Dimension. Manchmal verbindet sich der Kunstklang auch mit den schon vorhandenen, alltäglichen Geräuschen hier in Dresden, beide werden eins, sie vermischen sich. Manchmal bildet das Kunstwerk aber auch einen scharfen Kontrast zu den Alltagsklängen rundherum. Einmal Harmonie, einmal Dissonanz.
Die Ursprünge dieser Kunstklänge stammen einerseits aus dem Raum selbst (z.B. Aufnahmen im Treppenhaus) oder aus einem erweiterten, sakralen Kontext (z.B. Motetten, die früher in der Sophienkirche an genau diesem Ort gesungen wurden). Die Ursprungsklänge wurden durch eine digitale »Raum-Zeit-Maschine« verdichtet und transformiert. Direkt über die gläserne DNA Struktur werden diese abstrakten Klanglandschaften nun wieder in den Realraum zurückprojiziert, wo sie sich an den Wänden – am real gebauten Raum – reflektieren. Diese Überlagerung aus Realraum und Imaginationsraum macht eine wichtige Ebene des Kunstwerks aus.
DIE ÄSTHETIK DER LANGSAMKEIT
Sowohl Innen als auch Außen wird die DNA als kreatives Gestaltungselement erlebt, das diesem Gebäude einen ganz eigenständigen Charakter verleiht. Die Lichter, Farben, Klänge und Schwingungen winden sich über 150 Meter durch Treppenhäuser, Eingänge, Durchgänge, bis hinaus auf die Terrasse und auf die Fassade. Die Veränderungen der DNA bewegen sich aber bewußt an der Wahrnehmungsschwelle.
Dieses Kunstwerk ist keine »schreiende« Aktion, keine spektakuläre Performance, die mit der Faust aufs Auge schlägt, sondern ein subtiler Eingriff, eine sensible Intervention mitten im Alltagsraum dieses Hauses. Die Ästhetik ist getragen von feinen Nuancen, schier unendlich langsamen Veränderungsprozessen und von einer räumlichen Tiefe, Vielschichtigkeit: Die Klänge sind meist zurückhaltende, zarte Klangfarbenkompositionen, sanft schwingende, schwebende, vibrierende Luft.
Man weiß auch nicht, von wo sie herkommen, sie füllen diese hohen Treppenhäuser, diesen anscheinend leeren Raum in diesem Haus, mit sinnlichen Informationen. Die Lichter und Farben verändern und verwandeln sich synchron zu den Klängen. Die beiden Lichtstränge der DNA bringen einander in Schwingung: einmal resonieren sie im Einklang und einmal dissonieren sie in zwei Lichtfarben, die sich ganz fein zueinander verschieben – ein Aneinanderreiben an der Wahrnehmungsschwelle des Betrachters.
EIN SINNESRAUM ALS NEUER SAKRALRAUM
Durch diese Ästhetik der Langsamkeit verwehrt sich dem eiligen Passanten in so einem Treppenhaus die tiefere Bedeutung dieser Kunst. Es ist fast so, also würden uns diese Klänge, Lichter, Farben und Schwingungen bewußt zu einem Moment des Innehaltens »zwingen« wollen. Also Stehenbleiben und gleichzeitig unterwegs sein. Denn erst dann eröffnet sich die eigentliche tiefere Qualität, das Dahinterliegende dieser Rauminstallation:
Mitten im Alltag erkennen wir gleichsam im Hintergrund des Seins eine hochkomplexe und gleichzeitig geheimnisvolle Struktur sinnlicher Eindrücke. Klänge, Lichter, Farben und Schwingungen, die im Menschen selbst neue Verbindungskanäle zwischen den Zeiten öffnen. Der immaterielle Wert, der dadurch im Menschen evoziert wird, das ist der eigentliche Wert dieser Kunst.
In diesem Sinne können wir hier von einer neuen Art »SakralRaum« sprechen.